Das Minoritenzentrum in Graz ist ein Ort der Kunst, alter wie neuer. Sein Ort ist das Kloster der Minoriten. Diese sind die „Minderbrüder“ (auch „Konventualen“ genannt) und bilden die ältesten unter den späteren Abzweigungen, die sich auf ihren Ordensgründer Franz von Assisi (1186–1226) berufen. Dieser predigte radikale Armut und Hinwendung zum Evangelium und zu den Geschöpfen. Bereits im Todesjahr von Franziskus waren die ersten Minderbrüder in Graz. Seit dem frühen 13. Jahrhundert (!) wirken die Minoriten also ununterbrochen bis heute in Graz, bis 1515 waren sie im jetzigen Franziskanerkloster angesiedelt. Zentrale Orte des derzeitigen Minoritenklosters, das die Minoriten seit dem frühen 17. Jahrhundert in der damaligen Murvorstadt erbauten – wie das frühere Oratorium, das Winter- und das Sommerrefektorium oder auch ehemalige Klosterzellen – dienen heute als Ort für Kunst, Kultur und Begegnung. Hier ist seit 1975 das von Josef Fink (1941–1999) gegründete Kulturzentrum bei den Minoriten angesiedelt, das als Zentrum für Gegenwart, Kunst und Religion(KULTUM)der Diözese Graz-Seckau seit beinahe fünf Jahrzehnten eine pulsierende Schnittstelle zur zeitgenössischen Kunst, Literatur, Neuer Musik und unterschiedlichen Diskursformaten darstellt. In den kommenden Jahren wird dieses im Zuge der derzeitigen diözesanen Reformen unter Bischof Wilhelm Krautwaschl als Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung und als Museum für Gegenwartskunst und Religion erweitert: In den nächsten Jahren steht deshalb noch einmal eine Baustelle bevor.
Der barocke Minoritensaal, im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts vom Barockbaumeister Joachim Carlone (1653–1713) erbaut, ist wohl der schönste Barocksaal in der Grazer Altstadt. Er hat einen repräsentativen Stiegenaufgang mit doppelläufiger Treppe. Wieder waren es die Eggenberger, die dieses Bauwerk bezahlten – genauer: Johann Seyfried von Eggenberg (1644–1713). Ursprünglich als repräsentatives „Sommerrefektorium“ für die Brüder erbaut, stand der so genannte „Minoritensaal“ später leer, diente noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts als Speicher und ist seit mehr als 50 Jahren wieder öffentlich zugänglich. Seither dient er zwar auch als Ort repräsentativer Essen, mehr aber ist die darin stattfindende Ausspeisung “geistiger“ Natur: Seit 1965 wird der Minoritensaal, der über eine ausgezeichnete Akustik verfügt, für Konzerte Vorträge, Diskussionen und vieles mehr genutzt. An seiner Front befindet sich eines der größten Barocktafelbilder Österreichs mit der „Speisung der Fünftausend“, gemalt im Jahre 1732 von Johann Baptist Raunacher. Darüber steht „SILENTIUM“ – ein Hinweis auf die klösterliche Esskultur, wo während des Essens von der gegenüberliegenden Lesekanzel aus der Heiligen Schrift oder aus der Regel des Heiligen Franziskus vorgelesen wurde.
Das Spiegelgewölbe des lang gestreckten Saales ist mit stuckumrandeten Bildfeldern von Antonio Maderni (1680–1702) versehen, die die Verehrung Mariens durch die neun Engelschöre und die Begegnung alt- und neutestamentlicher Gestalten mit Engeln darstellen. Sie wurden im Jahre 1702 angefertigt. An den Schmalseiten ist jeweils das Wappen der Fürsten von Eggenberg, den Financiers des großen Komplexes, zu sehen.
Mit der jüngsten Renovierung 2020/21 wurde die Außenfassade wieder mit der ursprünglich befundeten grauen Farbe versehen. Der Saal erhielt im Inneren eine verbesserte Akustik sowie ein neues Belüftungs- und Kühlsystem.
Die angrenzende Kirche ist die Mariahilferkirche. Sie weist ein reiches gottesdienstliches Leben auf. Täglich werden auch heute noch drei Messen gefeiert, am Sonntag noch mehr. Gepflegte Kirchenmusik („Abendmusiken Mariahilf“) ist ein bedeutender Bestandteil dieses sakralen Ortes. Historisch ist die Mariahilferkirche ein Werk des lombardischen, in Venedig ausgebildeten Baumeister Pietro de Pomis, der die 1608–1611 erbaute Kirche eng an das venezianische Vorbild von San Giorgio in Venedig, dessen Baumeister Andrea Palladio war, anlegte. Das war in der Zeit der von Graz ausgehenden „Gegenreformation“, als der Stifter Hans Ulrich von Eggenberg (1568–1634), der Schatzkanzler von Erzherzog Ferdinand, dem späteren Kaiser Ferdinand II., den Minoritenbrüdern Kloster wie Kirche finanzierte. Als Gegengeschäft sollten die Minoritenbrüder für ihn, der wie auch seine Nachfolger in einer Seitenkapelle der Mariahilferkirche bestattet ist, fortwährend Messen lesen, um sich so eine Eintrittskarte in den katholischen Himmel zu sichern.
Pietro de Pomis war nicht nur Architekt, er war auch Maler – unter wundersamen Umständen hat er das Grazer „Mariahilf-Bild“ gemalt, das auch vielfach kopiert wurde. Es bildet ein typisches Beispiel einer konfessionellen Bildpolitik der Gegenreformation, die mit Hilfe von Wundererzählungen besonders erfolgreich war. Zudem hatte Graz bis dahin kein explizites Marienheiligtum. Bald setzte mit diesem Bild auch die Wallfahrt ein – die Mariahilferkirche war in der Barockzeit nach Mariazell auch die zweitwichtigste Wallfahrtskirche der Steiermark. Am Ende der Barockzeit wurde die das Mariahilf-Bild durch den Papst zur „Stadtmutter von Graz“ erhoben. In dieser Zeit wurde vor allem die Schaufassade der Kirche radikal verändert. Durch den Barockbaumeister Joseph Hueber wurde die Spätrenaissance-Fassade de Pomis' abgetragen und durch eine barocke, dynamische und plastische Schaufassade ersetzt. Auch die markanten Türme der Mariahilferkirche entstanden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Wenige Jahre später schaffte Kaiser Joseph II. die Wallfahrten ab – die Mariahilferkirche wurde ab 1786 Pfarrkirche und ist es bis heute. Und Wallfahrermessen gibt es auch heute noch täglich in dieser Kirche.
De Pomis war übrigens auch der Architekt der Grazer Katharinenkirche, die sich unmittelbar angrenzend an der damaligen Hofkirche (dem jetzigen Grazer Dom) und des anschließenden Mausoleums Kaiser Ferdinands II. befindet. Pietro de Pomis ist in der Mariahilferkirche sogar begraben.
Beinahe 100 Jahre vor dem Kirchen- und Klosterbau waren die Minoritenbrüder von Kaiser Maximilian I. im Jahre 1515 persönlich angehalten worden, aus dem aus dem bis dahin bewohnten Franziskanerkloster auszusiedeln. Der Grund war ein Streit innerhalb der beiden franziskanischen Orden – der Minoritenbrüder („Konventualen“) und der Franziskaner-Brüder („Observanten“), die aus ihrem Kloster in St. Leonhard in die Stadt ziehen wollten. Will heißen: Es ging um den Grad franziskanischer Armut. Die Minoriten hätten sich der strengeren Ordnung der Franziskaner unterwerfen sollen. Sie taten es nicht und gingen. Einige Jahre waren sie ortlos. 1525 wurde ihnen von Siegfried von Eggenberg ein Grundstück in der Murvorstadt geschenkt, auf dem weitere 90 Jahre später das Kloster erbaut wurde.